KFC Uerdingen 05

Zurück in die Herzen

Christoph Lenz‘ Liebe zum KFC wurde im Sommer 1986 entfacht: Heute, mehr als ein Vierteljahrhundert später, gehört er dem Vorstand seines Vereins an.

Das erste Mal ist schon bald 35 Jahre her. Damals, im Sommer des Jahres 1986, war es. FC Bayer 05 Uerdingen gegen Blau-Weiß 90 Berlin. Christoph Lenz hat noch alle Daten wie auf Abruf bereit: 16. August, Endstand 2:1 für Uerdingen. Und alles, was man wissen muss, zu diesem Spiel in der Grotenburg. Fußball-Bundesliga war das damals, auf der Bühne quasi vor der Haustür. Und die Durchsagen hallten durch die Lautsprecher in die Arena. Diese Stimme hat Lenz nicht wieder vergessen. Auch sein erster Besuch bei diesem Fußballverein, der damit auch seiner wurde, ist ihm tief in Erinnerung geblieben, hat sich in seiner Seele verankert. Bayer 05 Uerdingen und er – das war von da ab eine innige Beziehung. Fans sprechen in diesem Zusammenhang gern von Liebe. Und das ist wohl auch in diesem Fall nicht ganz übertrieben.

„Ich hänge an dem Verein“, erzählt der Familienvater, 43 Jahre alt, aus dem Westbezirk. Da hellen sich die dunklen Wolken am Himmel über seinem Herzensclub gerade wieder auf. Das Insolvenzverfahren, in das der KFC Uerdingen, der Rechtsnachfolger des FC Bayer 05, im vergangenen Jahr hineingerutscht war, steht vor der Beendigung. Es ist mal wieder gut gegangen für den Krefelder Club. Beileibe nicht zum ersten Mal in seiner Geschichte. Aber wieder einmal hat man in den zurückliegenden Krisenmonaten gesehen, wie viel Herzblut, Solidarität und Zusammengehörigkeitsgefühl die Anhängerschaft für ihren Verein aufbringen kann, wenn es um die blanke Existenz geht. Die Gläubiger haben dem Insolvenzplan einstimmig zugestimmt. Damit ist der KFC schuldenfrei und darf wieder auf eigenen Beinen stehen. „Das war der wesentliche Meilenstein. Ansonsten wäre der Verein pulverisiert worden“, weiß Christoph Lenz.

Ein bloß eingefleischter Fan ist er schon länger nicht mehr, schließlich war er als Stadionsprecher 16 Jahre lang die Stimme der Grotenburg. Über eine Wette mit seinen Freunden war er zu diesem Amt gekommen. 1996 fing er an bei Spielen der A-Junioren, ab 1999 heizte er dem Publikum und Team auch bei Heimspielen der ersten Mannschaft ein, zog sich aber 2015 nach einem Zwist mit dem früheren KFC-Patron Lakis zurück. Seit Sommer 2021 steht Christoph Lenz nun in großer Verantwortung im Vorstand seines KFC, der vor einem halben Jahr nach der Insolvenz quasi einen Neustart hingelegt hat und unter neuer Führung um den leutseligen Luxemburger Sportmanager Damien Raths verlorene Sympathien zurückerobern will. Es ist allerdings kein Spiel, das nach 90 Minuten beendet sein wird und einen Sieger oder Verlierer kennt. Es geht hier um Vertrauen in die neue Arbeitsweise und damit natürlich auch um die Zukunft des KFC Uerdingen. Lenz ist ein überzeugter Lokalpatriot. Er will das Beste für die Stadt und eine friedliche Koexistenz der Vereine. Auch der HSG Krefeld Niederrhein oder den Krefeld Pinguinen wünscht er gutes Gelingen. Es ist eine Stadt. Man gehört zusammen. Das ist seine Überzeugung.


Die Zeit des Armeniers Roman Gevorkyan beim KFC währte nur kurz. Er verschwand so schnell, wie er gekommen war.

2021 – das ist eines dieser vermaledeiten Jahre gewesen, die der Club seit seiner Loslösung von der Bayer AG 1995 leider schon das eine oder andere Mal überstehen musste, erneut mit einem Eingeständnis der Zahlungsunfähigkeit. Vorangegangen war diesmal das Missmanagement des russischen Investors Mikhail Ponomarev, der im Februar die in großem Maße krisenhaften Geschäfte seiner GmbH an den Armenier Roman Gevorkyan übergeben hatte und dann das Weite suchte. Die Misswirtschaft wurde gänzlich offengelegt, als Insolvenzverwalter Dr. Claus-Peter Kruth eine Finanzlücke von zehn Millionen Euro bezifferte. Doch damit nicht genug. Der erst im März in Erscheinung getretene Nachfolger Gevorkyan zog sich im Frühsommer über Nacht wieder zurück. Die Folge: Der Zwangsabstieg aus der 3. Liga sowie der endgültige Kollaps.

In dieser Bugwelle musste auch der Stammverein im August die Insolvenzpapiere einreichen. Drei Jahre nach den mit Glücksgefühlen geschwängerten Frühlings- und Sommermonaten 2018, als die Uerdinger wie im Rausch in die Profiliga zurückgestürmt waren, herrschten nun Blues und Tristesse in der blau-roten Familie.

Liebe, die Leiden schafft – das müssen Fußballfans im ganzen Land immer wieder erfahren. Beim KFC steht man traditionell eng zusammen in der Krise – so haben sie das hier schon immer gehalten, wie es im Vereinslied heißt: „Weil das Blau für die Treue und das Rot für die Liebe steht.“

Das sind beim KFC keine hohlen Phrasen: In den vergangenen Wochen und Monaten halfen bis zu 400 Anhänger als „Grotenburg-Supporters“ tatkräftig dabei mit, zum Nulltarif Teile des sanierungsbedürftigen Stadions abzubauen, um die Kosten für die Allgemeinheit zu senken und darüber auch den Club wieder in einem helleren Licht erscheinen zu lassen.

Geduld und Durchhaltevermögen sind gefragt. Demut, Volksnähe und Bodenständigkeit sind die neuen Leitmarken. „Wir sind in Krefeld ein Verein unter vielen“, betont daher auch Christoph Lenz. „Wir wollen den KFC in die Herzen der Leute zurückführen.“ Er selbst schätzt einen ehrlichen, offenen Umgang mit den Fans. Bei Heimspielen mischt sich der neue Vorstand unter das Volk, geht in den Dialog, ist für jeden greifbar und tritt unprätentiös auf. Das Wir, das sind neben ihm auch Weggefährten und KFC-Getreue wie Sven Hartmann und Andreas Scholten, ebenso wie er Männer aus der Mitte der Fanszene mit blau-rotem Blut und unerschütterlicher Hingabe. Jeder bringt hier seine Kompetenz mit ein. Im Sommer motivierte man sich gegenseitig, mitzumachen. Sven Hartmann, der IT-Unternehmer und Mann für die Finanzen. Lenz, der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann, der weiß, wie man Verwaltung organisiert, und Scholten, der Systemadministrator und Mitarbeiter einer Telekommunikationsfirma. Zusammen hat man alle Aufschwünge und Abstürze der vergangenen Dekaden erlebt, einst saß man sogar gemeinsam in der Sprecherkabine, als Christoph Lenz noch ins Mikrofon sprach und Hartmann die Anzeigetafel bediente.

Drei Krefelder also nun im Vorstand des KFC. Das ist ein Novum und Ausdruck der neuen Ausrichtung. „Noch näher ans Volk kann man den Verein nicht führen“, sagt Lenz. „Ohne Fans und Mitglieder braucht man den Verein nicht. Sie sind das Fundament.“ Die neue Zeitrechnung hat längst begonnen. „Wir haben einen langen Weg vor uns. Man kann den Leuten nur sagen: Packt mit an. Die Zeiten der Ausreden, dass man den KFC nicht unterstützen möchte, weil irgendein Patriarch das Sagen im Verein hat, sind vorbei. Wir wollen den Verein auf solidem Weg führen.“ Die Planung für die kommende Saison hat jüngst begonnen. Trainer Alexander Voigt, der im November das Ruder von seinem Vorgänger Dmitry Voronov übernommen hatte, und seine Mannschaft, die im Sommer unter Finanznöten und sogar noch bis in den Herbst hinein komponiert wurde, werden sich noch einmal strecken. Man hofft weiter auf den Klassenerhalt in der Regionalliga West, richtet sich aber auch auf einen Abstieg und eine Spielzeit in der Oberliga ein. Eine Strafe wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kurz vor Saisonbeginn wird es wohl nicht geben. „Wir sind keine Fantasten oder Luftschlosserbauer. Denn wir wissen, dass der sportliche Klassenerhalt trotz des für uns erst einmal positiven Urteils des WDFV weiter ein sehr ambitioniertes Ziel bleibt. Hier ist jetzt die Mannschaft gefragt, sich mit entsprechendem Charakter noch einmal aufzubäumen“, erzählt Lenz.

Die Wirtschaftlichkeit steht nun ganz oben in allen Überlegungen. Die Konsolidierung geht weiter. Der Verein soll vernünftige Strukturen erhalten nach all den Jahren der Alleinherrscher, die nach anfänglichen Erfolgen letztlich in den Ruin führten. Dazu zählen auch Trainingsplätze und die Kooperation mit anderen Krefelder Vereinen. Die Botschaft ist klar: „Den KFC kann man wieder lieben“, sagt Christoph Lenz. Bei ihm selbst und vielen in der KFC- Familie ist diese Leidenschaft ohnehin nie erloschen. Es gibt ihn ja weiterhin, den Herzensverein. Und das wird auch so bleiben.

KFC Uerdingen 05 e.V.
Aktuell mit Sitz im Mercure Parkhotel Krefelder Hof
Uerdinger Straße 245
47800 Krefeld
Präsident: Damien Raths
Telefon: 02151 – 971 686 0
E-Mail: info@kfc-uerdingen.de

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